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SoFi 99
 
 


Die zickige Sofi


oder


 

Wie eine Sonnenfinsternis funktioniert und von wo man sie am besten sieht (sah) und mit welchem Filter man sie anschauen muß und bei welcher Blende und Belichtungszeit man die besten Fotos machen kann, darüber gibt es im Internet schon genug Informationen, und darum schreibe ich hier meine persönlichen Erlebnisse auf.



 

Es war die spannendste Sonnenfinsternis, die ich jemals erlebt habe. Es war allerdings auch bis jetzt meine einzige. Und eigentlich fing es ja ganz harmlos mit einer E-Mail an:
 

Betreff: Total Eclipse (Part 1)
....


"Ohh wie nett, eine Sonnenfinsternisparty in München und wozu hat man denn soviele Überstunden." Aber das war dann erstmal alles, an was ich vier Monate vor dem eigentlichen Termin so dachte. 
 
 

Nun ja, die Sache war schon fast wieder vergessen, bis dann drei Wochen vorher wieder eine dieser E-Mails eintraf:
 

Betreff: Total Eclipse (Part II)
....


"Uhps, nur noch drei Wochen bis zur Sonnenfinsternis." So ein Ereignis sollte man doch auch auf Film bannen, wozu hat man denn die ganze 'teure' Fotoausrüstung. Aber wie? Welche Blende? Belichtungszeit? Film ....?

Doch Internet sei dank, hat mir die Alta-Vista Suchmaschine 19240 Webseiten zu dem Thema 'Sonnenfinsternis' gefunden. Also erst mal alles wichtige über das Thema Sonnenfinsternis und Fotografieren lesen und ausdrucken. Aber was ist das da? Eine Darstellung der Brennweite und der daraus resultierenden Abbildungsgröße der Sonne auf dem Film. Ganze 2mm Sonne mit meinem tollen 200mm Zoom. Da lohnt sich doch der Aufwand nicht, das ganze Geraffel bis nach München zu schleppen. Aber zum Glück gibt es ja Telekonverter. Ich weiß: Miese Abbildungsqualität, hoher Lichtstärkenverlust und überhaupt zusammen mit einem Zoom ... ??? Egal, immer noch besser als nur 2mm Sonne auf dem Film!

Aber woher bekomme ich jetzt noch einen Telekonverter für meine Minolta SR-T 303? Flohmarkt? Antiquitätenhändler? Museum? Doch zum Glück hab ich dann doch noch einen im Gebrauchtteilemarkt eines Fotoladens bekommen. Und was wollten die Leute um mich herum alle in dem Laden? Filterfolie! Aha, gute Idee wenn man ein paar Bilder von der partiellen Finsternis machen will. Die Anfragen der anderen Kunden wurden allerdings schon mit einem "gibts momentan nimmer" oder "vielleicht kommt morgen wieder eine Lieferung" beantwortet. Also erst mal abwarten.

Zum Glück war das SoFi-Fieber in unserer Firma auch schon ausgebrochen, und so wurde das Thema dort schon eifrig über E-Mail diskutiert. Geeigneter Standort, die richtige Schutzausrüstung, Kernschatten - wann und wo am längsten - , usw., usw. In einer E-Mail war dann auch ein Link auf eine Webseite mit einem Link auf eine Webseite mit einem Link auf eine Webseite von einem Laden in Augsburg der Astronomisches Zubehör und auch Filterfolien verkauft (Bei Bedarf kann dieser Satz auch nochmal gelesen werden). Also nix wie auf nach Augsburg, wozu wohnt man denn zwischen Augsburg und München, und nach so einer Folie gefragt. "Die ist gerade aus, aber nächste Woche kommt wieder eine Lieferung. Aber vielleicht wollen sie sich noch ein paar unserer Teleskope anschauen?" war die Antwort, und ich wollte mich schon zerknirscht auf den Rückzug machen. "Moment, vielleicht hab ich ja doch noch was" kam dann vom Verkäufer und er verschwand in einem Lagerraum. Keine 5 min später kam er triumphierend mit einem schwarzen DIN-A-4 Blatt zurück und schnitt mir für 2 DM eine "Ecke" davon ab. Kaum aus dem Laden gleich mal zum Test mit der Folie in die Sonne geschaut und ohh, was für eine schöne gelb-orange Färbung der Sonne, ganz im Gegensatz zu dem kalten blau-weis der üblichen mit Metall bedampften Filterfolie die auch in meiner Sofi-Schutzbrille eingebaut war.

So, jetzt hatte ich meine ganze Ausrüstung zusammen. Der Tag X konnte kommen. Übrigens habe ich mir noch aus den Resten der schwarzen Schutzfolie eine Schutzbrille gebaut, wegen der schöneren Farbwiedergabe.
 Für Insider: Irgendwie erinnert mich das Ding an die Gefahr-O-Sensitive-Brille. Aber vor welcher Gefahr soll sie uns schützen? Sonnenuntergang? Weltuntergang?
 
 

Und eine Woche vorher wieder eine E-Mail mit dem Titel: 
(Wer es errät, darf jetzt weiterlesen, alle anderen beginnen wieder von vorne)
 

Betreff: Total Eclipse (Part III)
....


Und was stand drin? "... Bei schlechtem Wetter in meiner Wohnung ...". Das kann nicht sein, das darf nicht sein! Bei all der ganzen Vorbereitung auf eine tolle Sonnenfinsternis-Party mit Grillen und strahlendem Sonnenschein (abgesehen von den 2 Minuten, um die es eigentlich geht), das kann einfach nicht sein (außer in Deutschland, wo es immer regnet, wenn man mal Grillen will)! Aber der Countdown läuft und er läßt sich nicht mehr anhalten.
 
 

Zwei Tage vorher, 12:30 Uhr: Blick aus dem Fenster der Firma: Wolken, Regen, Sch......ade! Noch ein Blick zum Deutschen Wetterdienst ins Internet:
Wolkenwahrscheinlichkeit für den 11. August:  Stuttgart 70%, Augsburg 80%, München 90%. Und da fahr ich nach München, Sch.....ade!
 
 

Ein Tag vorher, 12:30 Uhr: Blick aus dem Fenster der Firma: Wolken, Regen, SCH......EIBENHONIG! Noch ein Blick zum Deutschen Wetterdienst  ins Internet:
Wolkenwahrscheinlichkeit für morgen: Stuttgart 60%, Augsburg 70%, München 80%. Und da fahr ich Dussel nach München, vielleicht sollte ich mich doch noch von der Party abmelden und in die andere Richtung (Stuttgart) fahren. Aber da ich Wahrscheinlichkeiten schon während meines Studiums mißtraut habe und das Wetter eh immer anders (nämlich schlechter) als vorhergesagt ist, blieb ich bei meiner Entscheidung, nach München zu fahren, wo es dann zwar keine Finsternis, aber wenigstens eine Party zu sehen gibt.
 
 

Endlich, heute wird es sich entscheiden, ob die Welt untergeht oder nicht oder ob man überhaupt etwas davon sehen wird.

10:00 Uhr: Aufbruch zur Party (wegen unsicherem Wetter in der Wohnung). War da nicht eben ein kleines Wolkenloch zu sehen?

11:10 Uhr: Aufbruch der Partygäste zur Wittelsbacher Brücke, um den ersten Kontakt zu beobachten. Kaum sind wir zur Tür hinaus, fängt es zu schütten an. Die wenigen Optimisten die keinen Regenschutz dabei hatten, drehen auf der Stelle um, um ihre Regenschirme zu holen. Ich verstaue hastig meine Fotoausrüstung in einer Plastiktüte und suche Schutz unter einem Baum.

11:16 Uhr: Der erste Kontakt hat stattgefunden, man sieht aber nichts davon, da der ganze Himmel mit dichten Wolken verhangen ist. Die Stimmung ist am Boden, aber es hat wenigstens aufgehört zu regnen. Um ein bischen Zweckoptimismus zu verbreiten, baue ich schon mal meine Fotoausrüstung auf. Ein paar ander SoFi Fans ließen sich ebenfalls nicht vom Wetter abschrecken.

Wittelsbacher Brücke, Bild1 (318kB)


11:45 Uhr: Plötzlich ein ungäubiges "ohhh" und auch so manche erstaunte "ahhh"s sind zu hören. Und siehe da, durch ein kleines Wolkenloch ist die teilverdeckte Sonne zu sehen. Sofort Fotoapparat ausgerichtet und ein paar Bilder gemacht, man weiß ja nicht, ob man heute überhaupt etwas anderes zu sehen bekommt.

Partielle Sonnenfinsternis, Bild3 (177kB) 
Partielle Sonnenfinsternis, Bild7 (203kB)


11:55 Uhr: Und wieder mal fängt es zu regnen an, also Foto abbauen,... aber das hat man ja jetzt oft genug geübt. Die wahren SoFi Jünger lassen sich dennoch nicht abhalten, uns an die Isar zu folgen.

Wittelsbacher Brücke, Bild8 (257kB)
Andere Richtung Bild9, (269kB)


12:09 Uhr: Nochmal ein Wolkenloch, also Kamera ausrichten und ein paar Beweisfotos geschossen. Danach wieder Wolken.

Partielle Sonnenfinsternis, Bild10 (172kB)


12:22 Uhr: Kaum zu erkennen, hatte sich von hinten ein größeres Wolkenloch angeschlichen. Wieder ging ein "ohhh" durch die Menge, als alle wie auf ein Kommando in den Himmel blickten und eine schon sehr kleine Sonne sahen. Manche versuchten, durch Messen der Wolkengeschwindigkeit festzustellen, ob das Wolkenloch ausreichend groß ist, um die totale Verdunkelung noch zu sehen, aber die Messung mit Daumen und Sekundenzeiger führte nur zu dem Ergebniss "Hmmmmm?? Weiß nicht."

Nochmal die Wittelsbacher Brücke, Bild11 (342kB)
Partielle Sonnenfinsternis, Bild13 (167kB)


12:35 Uhr: Die Sonne ist durch die Brille nur noch als sehr schmale Sichel zu sehen, und ohne Brille betrachtet, hat die Umgebung ein sehr seltsames Licht angenommen. Das Wolkenloch scheint wenigstens so groß zu sein, daß der Anfang der totalen Finsternis noch zu sehen sein dürfte.

Partielle Sonnenfinsternis, Bild16 (171kB)


12:36 Uhr: Letzte Einstellungen an der Kamera vornehmen und ein letzter Blick duch den Sucher, ob die Ausrichtung noch stimmt. Noch ein flehender Blick auf die Wolken - das wird knapp ! - Hand an den Objektivfilter und warten auf den entscheidenden Agenblick ... und warten ... alles ist gespannt (auch meine Kamera) ... alles ist ruhig (zummindest bin ich so fixiert, daß ich alles andere ignoriere) ... Und noch ein bischen warten ... Jetzt ! ... Filter runter ...

12:37 Uhr: Klick ... Foto spannen .... Klick ... Foto spannen ... Klick. Wieder sind die "ahhh"s und "ohhh"s zu hören, nur erheblich ergriffener.

Diamantring mit Wolke, Bild17 (185kB)
Diamantring, Bild18 (180kB)
Diamantring, Bild19 (170kB)
Diamantring, Bild21 (167kB)
Diamantring, Bild22 (166kB); Ausschnitt mit 1500 DPI (88kB)
Perlschnur, Bild23 (161kB); Ausschnitt mit 1500 DPI (88kB)


Während ich selbst nur noch gebannt auf die Sonne schaue und auf den Fernauslöser drücke arbeiten meine Hände fast wie von selbst: Foto spannen, Belichtungszeit ändern, Klick, Foto spannen, ... bis der Film voll ist. Einmal vergaß ich sogar das Loslassen des Auslösers, was zu einem Bild mit 15 Sekunden Belichtungszeit führt. Naja, man hat ja genug andere, die vielleicht was geworden sind.

Corona bei 1/500s Belichtungszeit, Bild24 (172kB); Ausschnitt mit 1500 DPI (111kB)
Corona bei 1/250s Belichtungszeit, Bild25 (169kB)
Corona bei 1/60s Belichtungszeit, Bild26 (177kB)
Corona bei 1/15s Belichtungszeit, Bild27 (174kB)
Corona bei 1/4s Belichtungszeit, Bild28 (183kB)


12:39 Uhr: In der Zwischenzeit hat es wieder angefangen zu nieseln, aber das Wolkenloch hält noch, während die Sonne sich wieder einen Weg ins Freie bahnt. Die Leute fallen sich in die Arme (weil sie es trotz irgendwelcher Prophezeiungen überlebt haben?) und die Sektkorken knallen (das macht wenigstens Sinn, da ich auch Durst habe). Ich zerlege meine Fotoausrüstung und verstaue sie wieder in der Plastiktüte, die mir heute des öfteren geholfen hat, meine Kamera abzudecken, da es jetzt wieder stärker regnet. Kaum einer beobachtet noch die immer größer werdende Sonne, da dieses Schauspiel jetzt kaum noch spektakulär wirkt. Außerdem hat sich bald danach die Wolkendecke wieder geschlossen. Aber egal! Wir haben es mit eigenen Augen gesehen! 

Was für ein Glück wir hatten offenbarte sich uns erst ein paar Minuten später, als wir wieder die Partywohnung aufsuchten und den Fernseher einschalteten: Stuttgart, Regen, nichts zu sehen - München Olympiastadion, Wolken, nichts zu sehen, ... 

Jetzt gab es für mich nur noch eine bange Frage: Hoffentlich ist der Film etwas geworden.

Da ich diesen Bericht mit meinen Fotos versehen konnte, scheint ja auch das geklappt zu haben. 



 
Hier noch ein kurzer Dank an alle, die mir geholfen haben:
Danke Andreas, daß Du mich auf Deine Party eingeladen hast.
Danke Wolkenloch, daß  Du zur richtigen Zeit am richtigen Ort warst.
Danke Minolta SR-T 303, daß Du in Deinem Alter so gut funktioniert hast.
Danke meiner Frau, die meinen SoFi-Enthusiasmus ertragen mußte.

Letzte Änderung: 25.08.1999